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Drei Kinderbuchmacherinnen über vielfältige Kinderbuchwelten

Olaolu Fajembola, Tebogo Niminde-Dundadengar und Paran Kim sprechen mit Leseliebe über Vielfalt im Kinderbuch!

Leseliebe: Liebe Olaolu Fajembola, Sie sind Kulturwissenschaftlerin, Sie, liebe Tebogo Niminde-Dundadengar, Psychologin. Beide sind sie Mütter, haben zusammen für mehr Vielfalt im Spielzimmer den sehr erfolgreichen Onlineshop tebalou gegründet und setzen sich stark für eine anti-rassistische und diversitätssensible Erziehung ein. Dafür haben Sie nach einem Erziehungsratgeber-Bestseller jetzt gemeinsam ein Kinderbuch geschrieben. Wie ist es dazu gekommen?

Olaolu Fajembola & Tebogo Niminde-Dundadengar: Eine erste Motivation überhaupt unser Unternehmen Tebalou zu gründen oder auch unseren gemeinsamen Bestseller zu schreiben war die Tatsache, dass wir die breite Vielfalt, die zu unserer Normalität gehört schmerzlich in der „Spielewelt“ vermisst haben. Wo sind denn die Kinder of Color mit ihren eigenen Perspektiven und Geschichten? Was verstehen wir unter einer „Familie“, oder sind wir eine Familie, auch wenn sie anders aussieht als deine? Diesen und anderen Fragen nachzugehen, die eben diese unterschiedlichen Blickwinkel hervorheben, eine Normalität im Vielen beleuchten und wertschätzen, war unsere Triebfeder. Und dazu gehörte auch, dass wir Bücher schreiben wollten, die genau am Anfang des Lebens von Kindern ansetzen und ihnen zeigen: So wie du lebst, ist es richtig. Es gibt einfach viele unterschiedliche Normalitäten, die nebeneinander existieren. Alle diese Verschiedenheiten sind „normal“ und vor allem spannend zu entdecken und zu erfahren. Und so freuten wir uns sehr, als der Carlsen-Verlag uns signalisierte, dass sie sich über eine Kooperation freuen würden. Diese Gelegenheit haben wir genutzt und so entstand unser erstes gemeinsames Kinderbuch.

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Olaolu Fajembola und Tebogo Niminde-Dundadengar - die Gründerinnen von Tebalou

Leseliebe: In Ihrem Buch „So schlafe ich! Und wie schläfst du?“ geht es um Einschlafrituale in sehr verschiedenen Familien. Was war Ihnen beim Entwickeln der Buch-Idee und dem Schreiben des Buches besonders wichtig? Und nach welchen Kriterien haben Sie die Familienmodelle ausgewählt, die in den fünf Gute-Nacht-Geschichten besucht werden?

Olaolu Fajembola & Tebogo Niminde-Dundadengar: Durch unsere Arbeit bei Tebalou haben wir gute Einblicke in den Deutschen Kinderbuchmarkt und kennen auch die großen Lücken bei der Repräsentation vieler Kinder und Familien, die weiterhin bestehen. Uns war es wichtig einige dieser Lücken zu schließen. Dabei wollten wir viele Diversitätsmerkmale aufnehmen, das Buch aber nicht künstlich überfrachten. So haben wir uns bei der Auswahl der Familienmodelle zum einen im eigenen Bekannten und Familienkreis umgeschaut, zum anderen aber auch geschaut, wer sehr selten in Kinderbüchern vertreten ist. Der Platz in einem Pappbilderbuch ist ja begrenzt, und so mussten wir unsere Auswahl treffen. Es gäbe natürlich noch eine Vielzahl von Familienkonstellationen, die wir nicht aufnehmen konnten. Das ist aber auch okay. Wir hoffen, dass wir auch als Vorbild für andere Autor*Innen fungieren, bei der Gestaltung ihrer Figuren mutiger zu sein und mehr Diversität abzubilden.

Leseliebe: Liebe Paran Kim, Sie haben die Illustrationen für das Buch „So schlafe ich! Und wie schläfst du?“ gemacht. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den Autorinnen ergeben?

Paran Kim: Ich habe im Nachhinein erfahren, dass die Autorinnen meine Illustrationen auf Instagram entdeckt haben und einen positiven Eindruck davon gewonnen haben, dass meine Arbeit für das Buch geeignet ist. Besonders schätzten sie, dass ich großen Wert auf die Darstellung verschiedenster Kinder lege. Dann habe ich eines Tages eine E-Mail von unserer Redakteurin erhalten, in der sie mir das Manuskript zuschickte. Mir gefiel es auf Anhieb sehr gut, und ich fand die Geschichte ganz besonders. Sie gab mir die Möglichkeit, viele verschiedene Menschenfiguren darzustellen, was mich besonders begeisterte.

Die Kommunikation während des Projekts verlief jedoch über unsere gemeinsame Redakteurin, die als Vermittlerin zwischen uns fungierte.

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Vielfalt im Kinderbuch - Illustrationen von Paran Kim

Leseliebe: Worauf haben Sie beim Illustrieren des Buchs besonders viel Wert gelegt?

Paran Kim: Mir war es besonders wichtig, alle Figuren im Buch wertschätzend darzustellen, unabhängig davon, ob sie Haupt- oder Nebenrollen hatten. Ich glaube daran, dass jede Figur wichtig ist, genau wie in der Realität. Jedes Kind ist auf seine eigene Weise einzigartig und liebenswert, und ich wollte dies durch meine Illustrationen zum Ausdruck bringen. Indem ich sorgfältig die Charaktere gestaltet habe, wollte ich sicherstellen, dass jedes Kind und jeder Mensch sich in den Illustrationen wiedererkennen kann und sich wertgeschätzt fühlt.

Bei der Erstellung des Bilderbuchs war für mich die Zusammenarbeit im Team von großer Bedeutung. Wir haben eng zusammengearbeitet und regelmäßig Feedback ausgetauscht. Dieses Feedback war äußerst wichtig, da es mir geholfen hat, meine Illustrationen kontinuierlich zu verbessern und auf die Bedürfnisse des Buches abzustimmen. Durch die offene Kommunikation mit dem Team konnte ich viele neue Dinge lernen, insbesondere wie man auf kleine Details achtet, um die Bilder zu bereichern und ihnen eine realistische Darstellung des Alltags zu verleihen.

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So schlafe ich! Und wie schläfst du? Kinderbuch ab 2 Jahren Pappbilderbuch

Leseliebe: Eine Frage an Sie alle drei: Was macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?

Olaolu Fajembola: Für mich macht ein gutes Kinderbuch aus, dass es mich in neue Welten entführt und ich mich dabei gut unterhalten fühle. Es darf gerne lustig und albern sein, den Erwachsenen den Spiegel vorhalten und Kinder zu Held*innen machen. Denn ich denke, auch wir Großen können noch viel lernen von den Kindern.

Tebogo Niminde-Dundadengar: Ein gutes Kinderbuch macht für mich aus, dass es in erster Linie Kinder unterhält und sie dabei unterstützt sich und ihre Umwelt zu verstehen. Ein Bonus ist, wenn es auch uns Vorlesenden Spaß macht, insbesondere, weil wir die ersten Lieblingsbücher unserer Kinder immer und immer wieder vorlesen müssen bzw. dürfen.

Paran Kim: Ein gutes Kinderbuch ist für mich vor allem ein Buch, das Kinder immer wieder von ihren Betreuungspersonen vorgelesen bekommen wollen, weil es ihnen so gut gefällt. Ich denke auch, die wichtigsten Elemente eines guten Kinderbuchs sind die Freude, es immer wieder zu lesen, die Spannung, die das Herz bewegt, die Fähigkeit, Neues zu lernen und die Erweiterung der kindlichen Welt. Es ist auch von großer Bedeutung, dass Bilderbücher Themen behandeln, die in der heutigen Gesellschaft und Zeit relevant sind.

Leseliebe: Warum ist für Sie Vielfalt gerade im Kinderbuch bedeutsam?

Olaolu Fajembola & Tebogo Niminde-Dundadengar: Nicht zuletzt wurde das Thema Lesen mit den neuesten Ergebnissen der IGLU-Studie wieder in den Vordergrund gerückt. Wie können wir bei Kindern die Lust am Lesen wecken, wie können wir Kindern, die zumeist unsichtbar sind in den Geschichten und Erzählungen, signalisieren, dass auch sie Teil der Bücherwelt sind und auch ihre Lebenswelten zu Bücherwelten werden können? Niemand wird bestreiten können, dass Bücher das Tor zur Welt darstellen. Kinder  lernen in Kinderbüchern viel über das Leben, den Umgang miteinander und verschiedene Wertesysteme und Normen kennen. Doch bisher waren es eben zumeist die Lebensrealitäten und Perspektiven von weißen, bildungsbürgerlichen, privilegierten Kindern. Die meisten Bücher erlauben es vor allem ihnen in viele unterschiedliche Rollen und Lebensentwürfen zu schlüpfen und zu imaginieren. Mehr Vielfalt im Kinderbuch bedeutet nicht, dass dieser spezifischen Gruppe irgendetwas weggenommen wird, sondern einfach nur, dass endlich mehr Kinder mitgedacht, und von ihnen Geschichten ausgedacht werden. Endlich!

Paran Kim: Als Einwanderin interessiere ich mich besonders für Menschen, die in unserer Gesellschaft eine Minderheit darstellen und oft mit dem Gefühl leben, dass andere sie nicht verstehen. Aus diesem Grund halte ich die Vielfalt in Kinderbüchern für äußerst wichtig.

Kinderbücher, die verschiedene Themen, Menschen und kulturelle Hintergründe behandeln, ermöglichen es Kindern auf natürliche Weise zu verstehen, dass die Welt ein Ort ist, an dem unterschiedliche Menschen zusammenleben und dass es für jeden möglich ist, Freundschaften zu schließen. Solche Bücher lehren Kinder auf einfühlsame Weise, dass Vielfalt etwas Schönes und Bereicherndes ist.

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So schlafe ich! Und wie schläfst du? Kinderbuch ab 2 Jahren Pappbilderbuch

Leseliebe: Welches Kinderbuch oder welche Lese-Situation hat in Ihrer eigenen Kindheit einen Eindruck hinterlassen, der bis heute nachwirkt und warum?

Olaolu Fajembola: Ich habe sehr, sehr gerne das Buch „Momo“ von Michael Ende gelesen. Wie Momo als Outsiderin sich den Konventionen der Gesellschaft widersetzt und unbeirrbar an ihrem inneren Kompass festhält, hat mich als Kind und Erwachsene beeindruckt und verliert bis heute nicht an Relevanz. Ein schönes Buch mit einer zeitlosen Botschaft.

Tebogo Niminde-Dundadengar: Ich erinnere mich insbesondere daran, dass Bücher mir Ängste genommen haben. Ein sehr präsentes Beispiel ist das Buch „Die Brüder Löwenherz“. Wie viele Kinder und auch Erwachsene habe ich eine Angst vor dem Tod entwickelt. Die Geschichte um die beiden Brüder, die sich wiedersehen und so unglaubliche Abenteuer erleben, hat mir viel von meiner damals sehr präsenten Angst genommen.

Paran Kim: Als ich klein war, führte meine Mutter einen kleinen Buchladen, und nach der Schule saß ich immer gerne dort und las Bücher. Ich hatte dort große Freiheiten. Die Freiheit, im Sitzen überall hin zu reisen – in andere Länder, in andere Zeiten, sogar ins Weltall, unter das Meer oder in fantastische Welten. Ich liebte es auch, die Illustrationen dort zu betrachten, sei es ein zartes, schwarz-weißes Bild oder ein farbenfrohes, detailliertes Bild. Während und nach dem Lesens kritzelte ich gerne und stellte mir das, was ich las und die Charaktere lebhaft vor. Ich glaube, diese Kindheitserfahrung hat mich stark motiviert, Illustratorin zu werden.

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Paran Kim - die Illustratorin bei der Arbeit

Leseliebe: Stellen Sie sich vor, jede von Ihnen hätte einen magischen Wunsch frei und dürfte drei Bücher oder Buch-Botschaften bestimmen, die jedes Kind auf der Welt in seiner Kindheit liest. Welche wären das?

Olaolu Fajembola & Tebogo Niminde-Dundadengar:

1. Deine Erfahrungen sind valide und werden gesehen und erzählt.

2. Du bist gut und genug so wie du bist.

3. „Normal“ gibt es nicht und wenn ja, dann sind wir alle ein bisschen anders

Paran Kim:

Es ist schwierig, eine definitive Auswahl zu treffen, aber diese Bücher gehören zu meinen Lieblingsbüchern.

„Wilbur und Charlotte“ von E.B. White

„Der glückliche Prinz“ von Oscar Wilde

„Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende

Leseliebe: Ergänzen Sie doch abschließend netterweise noch den folgenden Satz für uns:

Leseliebe ist …

Olaolu Fajembola:mit jedem Buch, jeder Geschichte fantastische Reisen machen zu dürfen.

Tebogo Niminde-Dundadengar: … dem Alltag entfliehen zu dürfen und Träume wahr werden zu lassen.

Paran Kim: … ein Schatz, der niemals verloren geht und uns ein Leben lang begleitet.

Autorinnen

Olaolu Fajembola & Tebogo Niminde-Dundadengar

In ihrer eigenen Kindheit gab es für Olaolu Fajembola und Tebogo Niminde-Dundadengar keine passenden Identifikationsfiguren in der Kinderbuch- und Spielzeugwelt. Um daran etwas zu ändern und heute allen Kindern die Möglichkeit zu geben, sich beim Spielen und Lesen selbst wiederzufinden, haben sie gemeinsam den Onlineshop Tebalou für mehr Vielfalt im Spielzimmer gegründet. Und auch in der Buchwelt setzen sich für eine anti-rassistische und diversitätssensible Erziehung ein, ob mit Erziehungsratgeber oder diversem Kinderbuch. Wir sind begeistert!

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Tebalou Olaolu Fajembola & Tebogo Niminde-Dundadengar Vielfalt im Spielzimmer
Illustratorin

Paran Kim

Paran Kim stammt aus Südkorea und studierte in Japan Bildende Kunst. Nach Berufsstationen wie Kunstlehrerin und Altenpflegehelferin arbeitet sie heute leidenschaftlich gerne als Kinderbuchillustratorin.

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Kinderbuch-Illustratorin Paran Kim

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