Artikel: Kinderbuchmacher Frank Kühne im Interview
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Frank Kühne über Dinosaurier im Kinderbuch

Programmleiter Frank Kühne erklärt, was ein gutes Kinderbuch ausmacht und was Kinder an Dinos so spannend finden!

Leseliebe: Herr Kühne, als Programmleiter beim Carlsen-Verlag sind Sie jedes Jahr für viele, viele Kinderbuch-Neuerscheinungen verantwortlich, von Kindersachbüchern über Bilderbücher bis hin zu Kindergeschichten. Wie sind Sie zu einem ‚Kinderbuchmacher‘ geworden?

Frank Kühne: Ich war als Kind schon Bücher-Fan. Später habe ich dann nach einer Ausbildung zum Verlagsbuchhändler und einem Studium (Sprachwissenschaften, Philosophie, Musik) nach beruflichen Herausforderungen gesucht und bin dann eher zufällig in einem Kinderbuch-Verlag gelandet. Schon nach 3 Monaten merkte ich: Wie großartig! Das ist genau das Richtige für mich.

Leseliebe: Was macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?

Frank Kühne: Ein gutes Kinderbuch muss auf vielen verschiedenen Ebenen gleichzeitig gut sein. Das Thema sollte für die Kinder relevant sein. Die Sprache hat die Aufgabe, in gut lesbaren, schönen Worten die Inhalte gut zu vermitteln. Und die Illustrationen sollten schön und „lesbar“ die Figuren, Szenen oder Gegenstände sichtbar machen. Dann kann es gelingen, dass die Geschichte inspiriert und in die Köpfe und Herzen der Kinder rüberspringt. Ob ein Buch gut gelungen ist, zeigt sich oft erst, wenn die Kinder es lesen. Ein richtig gutes Buch ist gutes Handwerk, aber oft auch ein Glücksfall.  

Leseliebe: Wie ist das Ihrer Erfahrung nach bei Kindern? Ist deren Bewertung als ‚gutes Buch‘ auch eine Sache des Zeitgeists?

Frank Kühne: In unserer Gesellschaft ist „Kindheit“ immer in Veränderung. Kindheit verändert sich und auch die Kinder verändern sich. Also müssen sich meiner Erfahrung nach auch die Kinderbücher wandeln. Bücher, die vor zwanzig oder dreißig Jahren Lieblingsbücher waren, sind für Kinder von heute inhaltlich manchmal gar nicht mehr nachvollziehbar.  

Leseliebe: Was ist mit den Themen im Kinderbuch? Sind die sehr abhängig von Trends oder eher konstant? Wie aktuell ist für Sie als Programmleiter zum Beispiel das Uralt-Thema „Dinosaurier“?

Frank Kühne: Im Laufe ihrer Kindheit begegnen alle Kinder immer wieder denselben Themen. Wie verläuft ein Tag? Was passiert im Kindergarten? Worin unterscheidet sich eine Kuh von einem Schaf? Wäre ich lieber eine Astronautin oder eine Tänzerin? Und ein ebenfalls stets präsentes Thema sind die Dinos.             

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Dino-Bücher

Leseliebe: Warum ist es Ihrer Meinung nach so, dass zwar Dinosaurier längst ausgestorben sind, die Faszination für das Thema bei Kindern aber noch so lebendig ist?

Frank Kühne: Ist es nicht beeindruckend, dass es früher Lebewesen gab, die aussahen wie wilde, gefährliche Drachen oder wie magische Fantasy-Wesen, die aber wirklich mal gelebt haben? Ich glaube, dieser Mix aus Fantasie und Naturgeschichte der Dinos bleibt immer aktuell. Und Dinos haben auch sehr spannende und schwierige und faszinierende Namen… Kinder lieben sowas!

Leseliebe: Wie geht das ‚alte‘ Thema „Dinosaurier“ im Kinderbuch mit dem Zeitgeist mit? Oder anders gefragt: Haben sich Dinosaurier-Bücher für Kinder in den letzten Jahrzehnten sehr verändert? Wenn ja, wie?

Frank Kühne: Ja, sie haben sich verändert. Wir wissen immer mehr über Dinos. Tatsächlich können wir bis heute nicht mit allerletzter Sicherheit sagen, wie genau Dinosaurier aussahen. Unsere Bilder von Dinosauriern können nur auf Basis von archäologischen Funden kreativ illustriert werden. Aber die Paläontologen wissen heute viel mehr als vor dreißig Jahren. Unser neues Dinosaurier-Lexikon ist da auf aktuellem Stand 2022 mit viel neuem Dino-Wissen. Kennen Sie schon der Deinocheirus? Der war viel kunterbunter, als wir bislang dachten. Wussten Sie, dass Dinosaurier mit Hup- oder Trompeten- oder Rassel-Geräuschen kommuniziert haben?             

Leseliebe: Wie ist Ihre Meinung als Experte für „Lesesozialisation“: Hat das Dinosaurier-Thema auch das Potenzial zur Leseförderung? Viele Dino-Bücher sind schließlich erst für Kinder im Lesealter empfohlen.

Frank Kühne: Die Faszination für Dinosaurier beginnt oft im Alter von 3 Jahren und dauert bei den meisten bis zum Ende der Grundschule. Ja, Dinosaurier-Bücher eignen sich immer gut zur Leseförderung und auch gut zum Lesenlernen.       

Leseliebe: Welches Kinderbuch oder welche Lese-Situation hat in Ihrer eigenen Kindheit einen Eindruck hinterlassen, der bis heute nachwirkt und warum?

Frank Kühne: Ich hatte ein Tier-Lexikon, in dem Tiere aus anderen Kontinenten abgebildet waren, die ich in unserer Kleinstadt ohne Zoo noch nie gesehen hatte. Ich hielt sie allesamt für Fabel-Wesen. Als ich zum ersten Mal eine lebende große Giraffe gesehen habe, war ich echt geschockt. Dann wollte ich immer Müllmann werden, weil im Kinderbuch der Müllmann so lässig hinten auf dem Müllauto mitfahren durfte. Und in einem meiner Pixi-Bücher ging eine Schildkröte mit einem Flugzeug auf Reisen. Das wollte ich unbedingt auch mal machen.

Das Beste an Büchern war aber, dass meine Eltern sich dann abends Zeit für mich nahmen. Und ich wollte noch ein Kapitel hören und noch ein Kapitel und noch eins… 

Leseliebe: Sie haben einen magischen Wunsch frei und dürfen drei Bücher bestimmen, die jedes Kind auf der Welt in seiner Kindheit liest. Für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Frank Kühne: Von Daniela Kunkel „Das kleine WIR“, von Margit Auer „Die Schule der magischen Tiere“ und von J.K.Rowling „Harry Potter“. Wenn man diese Bücher kennt, dann kann man langsam erwachsen werden.

Leseliebe: Ergänzen Sie doch netterweise den folgenden Satz für uns: Leseliebe ist …

Frank Kühne: … so wichtig und so hilfreich für eine gelingende Kindheit.

Programmleiter

Frank Kühne

Seit dem Jahr 2001 arbeitet Frank Kühne als Programmleiter  im Carlsen Verlag und hält in den Bereichen Bilderbuch, Pappbilderbuch, Kindersachbuch, sowie Kinderbuch-Reihen und -Serien alle Fäden zusammen. Damit ist er verantwortlich für ca. 250 Carlsen-Neuheiten jedes Jahr, zum Beispiel für Bücher wie Das kleine WIR, Lesemaus, Pixi, Conni, Hör-mal, Frag-doch-mal-die-Maus, Schule der magischen Tiere, Bitte-nicht-öffnen, Ponyherz und Carlotta.

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Frank Kühne

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