waghalsig - humorvoll - ernsthaft

Keiner hält Don Carlo auf, alias Carlo, Halb-Italiener, elf Jahre alt und heimlich alleine unterwegs von Bochum nach Palermo. Dort wohnt jetzt nämlich schon seit mehr als fünf Monaten sein Papa, den seine Mutter eines Tages aus der Wohnung geworfen hat. Mit Mama kann er nicht über seinen Vater reden. Geht einfach nicht. Und warten kann er auch nicht mehr. Deswegen muss er alleine los und selbst dafür sorgen, dass sein Papa wieder zurück kommt. Also steht Carlo im schicken, mafiamäßigen Don-Carlo-Anzug am Bahnsteig und versucht ein Ticket nach Palermo zu kaufen. Das ist allerdings viel zu teuer und dann will die Frau am Schalter auch noch seine Mutter anrufen. Carlo ergreift die Flucht und schlägt sich durch. Schließlich sagt sein Vater immer: „Einfach durchziehen, Carlo. Bloß nicht so viel denken.“ 

Oliver Scherz lässt den entschlossenen Carlo seine Geschichte selbst erzählen. Und damit schlüpfst du sofort in den Kopf des Jungen mit dem dicken Mozzarella-Bauch, der Sonnenbrille im schwarzen Haar und dem edlen Anzug. Durch seine Augen erlebst du alle Ängste während des abenteuerlichen Roadtrips, all seinen Frust über die Trennung seiner Eltern und seine Hoffnung, dass alles wieder gut wird. Du wirst gemeinsam mit ihm ausgeraubt und erlebst italienische Gastfreundschaft, läufst immer wieder davon und findest unerwartet Hilfe. All das nimmt Carlo in Kauf, weil er seinen Papa zurückhaben will. Obwohl der immer nur etwas verspricht und es dann ganz anders kommt. Carlo weiß eben, was er will und nimmt es selbst in die Hand, auch wenn er zwischendurch mal richtig verzweifelt ist und weinen muss. Denn sonst tut es ja niemand. Heraus kommt ein spannendes, beängstigendes und lustiges Ausreißer-Abenteuer über die riesige Bedeutung von Familie.

Ungewöhnliche Helden mit eigenem Kopf beherrscht Illustrator Peter Schössow aus dem Effeff. Man denke nur an Steinhöfels Rico-und-Oskar-Reihe. Auch in diesem Kinderbuch sorgt der Illustrator mit einem unaufgeregten, geradlinigen Zeichenstil wieder für eine anspruchsvolle Begleitung der Geschichte. Graustufen-Bilder im schlichten Rahmen leiten jedes Kapitel ein. Und sie machen eigentlich schon auf den ersten Blick deutlich, dass es hier nicht um ein albernes Eiapopeia-Abenteuer geht, sondern um ein Kinderbuch mit Tiefe. Denn eigentlich ist das, was Carlo zu diesem waghalsigen und häufig auch komischen Abenteuer bringt, ziemlich traurig: ein unzuverlässiger Vater, Eltern, mit denen man nicht reden kann, Verlassenwerden. Davon lesen geübte Leser auf etwas mehr als 100 Taschenbuchseiten schon ganz erwachsen mit Blocksatz und Silbentrennung. Damit das Lesen passend zur spannenden Geschichte dennoch möglichst schnell geht, hat die Schrift eine angenehme Größe. Und zwischen den kurzen Absätze sorgen aussagekräftige Piktogramme für optische Unterbrechungen. Auf ins aufregende (Lese-)Abenteuer mit Don Carlo! 

Was hältst du von ‚Don Carlos‘ Geschichte? Kennst du noch eine andere Ausreißer-Geschichte, die du uns empfehlen möchtest? Oder ein besonders gutes Kinderbuch zum Thema Familie? Schreib uns einen Kommentar!