Artikel: Kinderbuchmacherin Bärbel Oftring im Interview
 
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Bärbel Oftring über Insekten und Naturwunder

Naturbuch-Autorin Bärbel Oftring spricht mit Leseliebe über die Lust auf Natur und Entdeckungen und über tolle Sachbücher für Kinder.

Leseliebe: Frau Oftring, Sie sind Diplom-Biologin mit den Schwerpunkten Zoologie, Botanik und Paläontologie. Das heißt für den Laien: Sie kennen sich gut aus mit Tieren, Pflanzen und Dinosauriern, richtig? 

Bärbel Oftring: Schon als Kind habe ich mich sehr für die Tiere und Pflanzen, die Natur, auch für die Erdgeschichte und die Entwicklung des Lebens auf der Erde interessiert. Ich habe viel Zeit draußen verbracht in der Feld-, Wald- und Flusslandschaft meines Heimatortes. Weil ich mich schon sehr lange damit beschäftige, praktisch und theoretisch, kenne ich mich ganz gut aus bei den heimischen Tieren und Pflanzen – aber ich lerne jeden Tag bei jedem Gang durch Wälder, Streuobstwiesen, in Gärten und im Siedlungsraum sowie im regen Austausch mit Naturwissenschaftlern jede Menge Neues dazu. Heute ist mir bewusst, dass mein Wissen über die Natur nur ein Bruchteil des Ganzen umfasst.  

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Bärbel Oftring: Insekten

LeseliebeWas fasziniert Sie an diesen Naturthemen? 

Bärbel Oftring: Ich habe großen Respekt vor und Achtung für all die Lebensformen, die sich hier auf der Erde entwickelt haben und immer noch entwickeln. Viele Menschen schauen sich Science Fiction oder Fantasy an oder lesen Bücher zu diesen Themen, weil sie das alles so fantastisch finden. Dabei liegt die wahre Fantasie in all den Geschöpfen unseres Heimatplaneten Erde: Wenn man sich die Lebenswelten all der Millionen Arten von Pilzen, Pflanzen und Tieren anschaut und wie sie aufs Wundersamste miteinander verwoben sind, dann kommt man rasch zu der Erkenntnis: Die Fantasie der Natur ist um so viel größer als die der menschlichen in Science Fiction und Fantasy. Das fasziniert mich ebenso wie die aus meiner Sicht lebensnotwendige Wirkung der Natur: In der Natur kommt man auf das Wesentliche. 

LeseliebeWie sind Sie mit so einer wissenschaftlichen Ausbildung zu einer ‚Kinderbuchmacherin‘ geworden? 

Bärbel Oftring: Lesen und Bücher begeisterten mich neben den Tieren und Pflanzen schon immer. Ich hatte das Glück, dass ich während meines Biologie-Studiums am Deutschen Institut für Fernstudien (DIFF) als wissenschaftliche Hilfskraft beim Erarbeiten von biologischen Unterrichtsmaterialien für Lehrer mitarbeiten konnte. Das weckte mein Interesse am Machen von Naturbüchern und so wechselte ich von der Naturwissenschaft in das Garten- und Naturlektorat eines großen deutschen Verlags. Dort lernte ich das Büchermachen von der Pike auf – und wie es das Leben so will, wurde ich vom verlagsseitigen Kinderbuchlektorat gefragt, ob ich nicht Lust hätte ein Kinderbuch über das Wirken hinter den Kulissen eines Zoos zu schreiben. Das hatte ich – so entstand 1993 mein erstes Buch „Guck mal, der Zoo“.  

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Innenseite Insekten Zitronenfalter

Leseliebe: In Ihrem grandiosen Buch „Insekten“ kombinieren Sie praktische Forscheraufträge mit Hintergrundwissen, spektakulären Fakten und Rekorden, Insektenpoesie und noch mehr. Macht so eine Vielfalt für Sie ein gutes Kindersachbuch aus? 

Bärbel Oftring: Für mich ist es bei jedem Buchprojekt wichtig, dass ich darin die Kinder bei dem abhole, was ihnen bekannt ist – weil sie es selbst beobachten oder weil es ihnen begegnet ist. Von dort aus führe ich die Kinder gern weiter in Unbekanntes und Neues, versuche Neugierde und Forschergeist zu wecken, sodass Fragen auftauchen und sie angeregt sind, genauer hinzugucken und Antworten auf ihre Fragen zu finden, die meist zu noch mehr Fragen führen. Ich lade gern die Kinder ein, ein Ding, ein Thema von verschiedenen Seiten und aus verschiedenen Perspektiven heraus zu betrachten und zu beleuchten. Das stillt nicht nur den Wissensdurst, sondern regt die Kreativität an. Darum freue ich mich, wenn ich in einem Sachbuch eine große Vielfalt wie in „Insekten“ anbieten kann. Für mich ist diese Art von Umgang mit dem Leben essentiell – und ich halte sie auch für Kinder für enorm wichtig. Diese Art zu leben ist uneingeschränkt möglich selbst in der jetzigen Zeit mit ihren notwendigen Einschränkungen. Dies spiegelt sich auch in einem Sachbuch wider. 

LeseliebeWas ist Ihrer Meinung nach das Tollste, was ein Sachbuch bei einem Kind bewirken kann? 

Bärbel Oftring: Dass es noch neugieriger wird – auf Bücher und auf das Selbsterkunden und -forschen. Dass es sich selbst Fragen ausdenkt und kreativ mit wachem Forschergeist nach Antworten sucht. Mein Forschergeist etwa wurde auch durch die vielen schweren, großen Bände einer Enzyklopädie im Bücherschrank meiner Großeltern geweckt. Darin konnte ich ganze Nachmittage quer durch alle Bände von einem Stichwort zum nächsten reisen, auch gelockt durch die Illustrationen. Ich habe das Wissen darin schier verschlungen. 

LeseliebeSchluss mit Stubenhocken: Ihre Naturbücher fordern aktiv zum Mitmachen und Rausgehen auf. Was ist mit dem Lesen und dem Sachbuch selbst? Sollen die auch mit nach draußen auf Expedition in die Natur gehen?

Bärbel Oftring: Ja, rausgehen ist wichtig! Dem Sachbuch sieht man es an, ob es mit nach draußen möchte – dazu gehören zum Beispiel alle diejenigen im robusten Hosentaschenformat. Großformatige oder „zartere“ Sachbücher eignen sich mehr zum Lesen zuhause. 

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Innenseite Insekten Grashüpfer

LeseliebeNatur- und Umweltschutz sind derzeit absolute Trendthemen, gerade in der Jugend. Haben Sie Lese- oder Aktions-Tipps für Eltern, um dieses Interesse sinnvoll zu fördern? 

Bärbel Oftring: Ein großes Thema bei uns ist ja das Insektensterben. Erst jetzt, nachdem so viele fehlen, ist die enorme Bedeutung der Insekten bei vielen Menschen angekommen. Dabei wird dann auch rasch klar, wie wenig Wissen über das grundsätzlich andere Leben der Insekten mit enorm langer Kindheit und nur kurzem Erwachsenendasein vorhanden ist. Mittels Bücher wie „Insekten“ oder „Bei dir summt’s wohl“ (ausgezeichnet mit dem 2. Deutschen Gartenbuchpreis 2020) können Eltern das Interesse an den Insekten auf theoretische Weise fördern, im eigenen Garten oder Lebensumfeld dann im Praktischen durch Beobachten von Insekten und dem Schaffen von geeigneten Kleinstrukturen (Totholz, Steinhaufen, Sandgruben etc.) sowie dem Ansiedeln von heimischen Blumen und Gehölzen. Das geht auch auf dem Balkon. 

LeseliebeSie haben einen magischen Wunsch frei und dürfen drei Bücher bestimmen, die jedes Kind auf der Welt in seiner Kindheit liest. Abgesehen von Ihren eigenen Büchern, für welche entscheiden Sie sich?

Bärbel Oftring

Momo von Michael Ende

Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren

James und der Riesenpfirsich von Roald Dahl

LeseliebeWelches Kinderbuch, welches Sachbuch oder welche Lese-Situation hat in Ihrer eigenen Kindheit einen Eindruck hinterlassen, der bis heute nachwirkt und warum? 

Bärbel Oftring: Ich las mit geschätzt 12 Jahren das Buch „Meine Sehnsucht heißt Afrika“: Dieses Buch einer Frau, die allein mit ihrem Auto durch Afrika reist, hat mich so gepackt, dass ich selbst viele Reisen allein unternahm: zuerst trampend durch Kanada und den Westen der USA, dann viele Reisen durch Afrika. Seit Jahrzehnten folge ich lesend den verschiedenen Naturforschern und Abenteurern in alle Teile der Erde, vor allen Dingen in die Polregionen auf der Suche nach der Nordwestpassage: Diese Reise lockt mich heute sehr.  

LeseliebeErgänzen Sie doch netterweise den folgenden Satz für uns: Leseliebe ist …

Bärbel Oftring: … Abenteuer pur, denn lesend kann man jederzeit überall hin und durch alle Zeiten reisen.  

Autorin

Bärbel Oftring

Die Diplom-Biologin Bärbel Oftring erkundete schon als Kind die Naturlandschaften rund um ihren Heimatort. Ihre Liebe zur Natur setzt sie heute als Autorin, Redakteurin und Herausgeberin von zahlreichen Sachbüchern für Kinder und Erwachsene in die Tat um. Ihre Bücher vermitteln auf anschauliche und interessante Weise, was es alles über Tiere und Pflanzen in der Natur zu entdecken gibt, wurden bereits in mehrere Sprachen übersetzt und schon mehrmals für Buchpreise nominiert und ausgezeichnet.

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Bärbel Oftring Autorin

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