Artikel: Kinderbuchmacherin Barbara Rose im Interview
 
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Barbara Rose über Fantasy und Artenschutz

Die Autorin der neuen Fantasy-Reihe „Whisperworld“ plaudert über Fantasie, das Lesen, Dschungel-Abenteuer & Artenschutz.

Leseliebe: Frau Rose, Sie arbeiten schon etwa 15 Jahre als Autorin und haben in der Zeit eine beachtliche Menge Kinder- und Jugendbücher geschrieben. Aber wie sind Sie eigentlich zu einer ‚Kinderbuchmacherin‘ geworden?

Barbara Rose: Ich habe zunächst viele Jahre als Journalistin für Fernsehen, Radio und Zeitungen gearbeitet und dabei auch schon diverse Geschichten, u.a. fürs Kinderradio geschrieben. Irgendwann, bei einem Interview mit einem bekannten Kinderbuchautor, habe ich ihm von meinen Geschichten erzählt. Er meinte dann, dass nie ein Buch daraus werden kann, wenn sie langsam in der Schublade vergammeln, ich soll sie doch einfach freilassen und an Verlage schicken. Das habe ich getan, allerdings hat es danach noch eine ganze Weile gedauert, bis das erste Buch erschienen ist. Seither arbeite ich nur noch als Autorin und finde es großartig!

Leseliebe: Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Arbeit? Und was ist dabei für Sie die größte Herausforderung?

Barbara Rose: Mein Kopf ist voller Ideen, meine Schubladen sind gefüllt mit Notizen, Hinweisen, Fotos und Bildern. Es gibt so viel zu erzählen! Mit meinen Büchern möchte ich die Welt bunter machen, Kinder zum Lachen bringen und zum Nachdenken anregen. Ich möchte, dass sie spannende Abenteuer erleben, in fremde Welten eintauchen, andere Kulturen und Lebensweisen kennenlernen, sich wegträumen und ihrer Fantasie freien Lauf lassen können. Zu meinen Geschichten gehören aber auch wahre und ernstzunehmende Probleme wie Umwelt- und Artenschutz, Streit, Angst, Traurig- und Fremdsein, sich ausgegrenzt oder nutzlos und unwichtig fühlen. Eine große Herausforderung ist, diese Sorgen und Probleme – wie auch in Whisperworld – möglichst so zu verpacken, dass sie ohne den häufig zitierten pädagogischen Zeigefinger auskommen. Auf keinen Fall will ich Kinder belehren. Sie möchten nicht von oben herab behandelt werden, sie erkennen selbst, was Sache ist. Arroganz oder Distanz fühlen sie sehr schnell, weil sie viel schlauer sind als Erwachsene häufig annehmen.

Leseliebe: Was macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?

Barbara Rose: Es ist auf Augenhöhe mit der jeweiligen Zielgruppe. Es belehrt nicht, regt im besten Fall alle Sinne an, lässt Raum für Fantasie und macht Spaß beim Lesen.

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Barbara Rose Lesung

Leseliebe: In Ihrer neuen Fantasy-Reihe „Whisperworld“ reisen Kinder in ein geheimnisvolles Land, in dem sie mitten im Dschungel in spektakulären Baumhäusern wohnen und von unzähligen Tieren umgeben sind. In diese Dschungel-Atmosphäre taucht man beim Lesen tief ein. Woher nehmen Sie die Inspiration für die intensiven Dschungel-Beschreibungen? Nur aus Ihrer Fantasie und Recherche-Arbeit oder waren Sie schonmal in einem richtigen Dschungel unterwegs?

Barbara Rose: Als Journalistin bin ich intensive Recherchearbeit gewohnt, dennoch ist es hilfreich, wenn man manche Sachen selbst erlebt oder gesehen hat. Bei einem längeren Aufenthalt in Australien war ich mit meiner Familie in verschiedenen subtropischen Regenwaldgebieten, am Great Barrier Reef und in der zentralaustralischen Wüste unterwegs. Dort wäre ich übrigens beinahe mit dem Kinderwagen über eine supergifte Schlange gefahren J Außerdem habe ich längere Reisen durch Mexiko, Thailand, Malaysia, Namibia und Südafrika gemacht und mir dort besonders die Tierwelt angesehen. Nicht gerade die Begegnung mit der Giftschlange in Australien, aber alle anderen Eindrücke sind jetzt sehr hilfreich ... auch für die weiteren Bände von Whisperworld. Lasst euch überraschen!

Leseliebe: In „Whisperworld“ stehen die Themen Natur- und Tierschutz ganz weit vorne. Welchen Bezug haben Sie zu diesen Themen und wie kam es zu der Idee, daraus eine Fantasy-Reihe zu machen?

Barbara Rose: Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte sich mal im Internet das vom australischen Filmarchiv NFSA bearbeitete und kolorierte Video des letzten Beutelwolfs, des sogenannten Tasmanischen Tigers, ansehen. Diese Bilder berühren und machen gleichzeitig unfassbar betroffen. Auch die Dreistigkeit, mit welcher der wunderschöne Karolinasittich ausgerottet wurde, ist unfassbar. Wie konnten wir Menschen es zulassen, dass diese Tiere – so der derzeitige Stand – ausgestorben sind? Unglaublich berührt hat mich auch das Foto der Gorilladame Ndakasi aus dem Virunga-Nationalpark im Kongo, wie sie nach lebenslanger Freundschaft in den Armen ihres jahrelangen Pflegers gestorben ist. Mensch und Tier können Freunde sein, wenn wir uns entsprechend verhalten und die Natur nicht als Eigentum des Menschen verstehen. Rund eine Million Arten könnte innerhalb der nächsten Jahrzehnte verschwinden, wenn wir nichts dagegen tun. Der Zustand unserer Ökosysteme verschlechtert sich, der Klimawandel ist eins der zentralen Themen unserer Zeit. Dafür müssen wir die Kinder sensibilisieren, denn ihnen gehört die Zukunft. Diese Überlegungen standen am Anfang von Whisperworld, zunächst gab es vor allem die Stichworte Tierflüsterer und Tierhüter. In Zusammenarbeit mit meiner wunderbare Lektorin Caroline Fuchs hat sich aus all diesen Puzzleteilen schließlich die Idee zu Whisperworld mit seinen echten und fantastischen Elementen entwickelt.

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Barbara Rose Lesung vor Schulklasse

Leseliebe: Zum Fantasy-Genre zählt „Whisperworld“, weil es dort fantastische Tierwesen gibt (neben ganz realen Tierarten), ein geheimnisvolles Land, das alle Klimazonen und Landschaften umfasst und eine magische Verbindung zwischen Tieren und ihren auserwählten Tierflüster*innen, die eigentlich ganz ‚normale‘ Kinder sind. Gibt es unter diesen fantastischen Elementen etwas, das Ihnen beim Ausdenken ganz besonders viel Spaß gemacht hat?

Barbara Rose: Alles hat Spaß gemacht! Es war gleichzeitig knallhartes und sehr aufwendiges Recherchieren und herrliches Herumspinnen. Ein Kinderbuch ist immer Teamwork und es war und ist eine solche Freude, sich mit Caroline die Bälle hin- und herzuwerfen und beim Ausdenken der fantastischen Elemente immer wieder von ihr ermuntert und bestätigt zu werden. Herrlich! Die fantastischen Tierwesen habe ich mir nicht nur von ihrem Äußeren, sondern mit einer echten Beschreibung aller Merkmale und des Lebensraums ausgedacht. Aber zum Team gehört natürlich auch unsere Illustratorin Alina Brost, die meine Ideen aufgegriffen, weiterentwickelt und ihre großartigen Bilder daraus gemacht hat. Und ... pssst! ... es kommen immer noch einige fantastische Wesen dazu!

Leseliebe: Was ist Ihrer Meinung nach die besondere Qualität von Fantasy-Büchern für Kinder? Oder mit anderen Worten: Was gibt Fantasy Kindern?

Barbara Rose: Fantasy-Bücher gehen immer weit über den bekannten Alltag hinaus, indem sie neue Welten und/oder Wesen schaffen oder sich das Fantastische Zugang zur realen Welt verschafft. Kinder können sich mit den Heldinnen und Helden identifizieren, die sich gerade in einem besonderen Abenteuer befinden. Das ist nicht nur spannend, sondern kann auch tröstlich sein, Hoffnung vermitteln, dazu anregen, selbst in irgendeiner Weise selbst aktiv zu werden. Kinder blicken durch ihre Helden über ihren eigenen Tellerrand hinaus und können mit der Geschichte ihrer Fantasie freien Raum lassen, sich wegträumen und offen für Neues werden.

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Barbara Rose Lesung mit Kindern

Leseliebe: Sie haben einen magischen Wunsch frei und dürfen drei Bücher bestimmen, die jedes Kind auf der Welt in seiner Kindheit liest. Abgesehen von Ihren eigenen, was für Bücher suchen Sie aus?

Barbara Rose:

Andreas Steinhöfel: „Dirk und ich“ – die Geschichten zweier wilder Brüder, deren Alltag aus lauter lustigen Katastrophen und nachdenklichen Momenten besteht.

Cornelia Funke: „Drachenreiter“ – eine wunderbare Freundschaft zwischen einem Drachen und einem Jungen, beste Fantasy für Kinder, sprachlich wunderbar.

Alan Gratz: „Amy und die geheime Bibliothek“ – ein großartiges Buch über mutige Kinder und die Bedeutung von Büchern.

Leseliebe: Welches Kinderbuch oder welche Lese-Situation hat in Ihrer eigenen Kindheit einen Eindruck hinterlassen, der bis heute nachwirkt und warum?

Barbara Rose: Ich habe das Bilderbuch „Onkel Tobi“ von Hans G. Lenzen geliebt, eine gereimte Geschichte von Onkel Tobi, der Einkäufe erledigen will. Damit er nichts vergisst, versucht er, sich seine und die Aufträge der Freunde in Versen zu merken. Schon wenn meine Mutter begonnen hat, das Buch zu lesen, bin ich richtig in Schwingungen gekommen und habe den Rhythmus gefühlt und später alles auswendig mitgesprochen:

„Einen Besen für den Stall,
für die Katze einen Ball,
für die Äpfel eine Schüssel
und den neuen Haustürschlüssel;
na, für diesmal ist´s nicht viel,
das behalt ich
das behalt ich
das ist ja ein Kinderspiel!“

Natürlich vergisst er bei all den Dingen doch etwas, aber ich habe nie vergessen, wie wunderbar es ist, wenn Lesen zum Mitfiebern und Miterleben anregt.

Leseliebe: Ergänzen Sie doch netterweise den folgenden Satz für uns: Leseliebe ist …

Barbara Rose: … etwas, das Eltern, Erzieher und/oder Lehrer allen Kindern unbedingt vermitteln sollten, ein riesengroßes Geschenk!

Autorin

Barbara Rose

Bevor Barbara Rose Kinder- und Jugendbuchautorin wurde, schrieb sie als freie Journalistin für Familien-Magazine, moderierte Radiosendungen und arbeitete als Fernseh-Redakteurin. Heute arbeitet sie nur noch und das sehr erfolgreich als Autorin und "findet es großartig"!

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Kinderbuchautorin Barbara Rose

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