Artikel: Kinderbuchmacher Oliver Scherz im Interview
 
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Oliver Scherz über Kindheit, Schulanfang und unterhaltsame Geschichten

Kinderbuchmacher im Interview

Autor Oliver Scherz beantwortet Fragen zu Kindheit, Schulanfang und seinem Kinderbuch-Bestseller "Ben".

LeseliebeHerr Scherz, auf Ihrer Homepage kann man nachlesen, dass Sie seit der Geburt Ihrer Tochter Kinderbücher schreiben. Was an Ihrem Vater-Sein hat Sie zum Kinderbuchmachen inspiriert?

Oliver Scherz: Ich hatte vor der Geburt meiner Tochter nicht wirklich viel mit Kindern zu tun. Danach hat sich mein Leben komplett gewandelt. Nicht nur wir, auch unsere Freunde: alle hatten auf einmal Kinder, die uns bewegt und in vieler Hinsicht überwältigt haben. Das hat mich dazu gebracht, einen Bilderbuchtext zu schreiben. Daraus wurde dann sogar ein Beruf, ein sehr erfüllender, ohne dass ich das vorher geplant hatte. 

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Oliver Scherz im Interview

LeseliebeWas macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?

Oliver Scherz: Eine authentische Erzählweise und gute Sprache. Wenn die Geschichte die Kinder mitnimmt, ohne sich ihnen anzubiedern, wenn sie es schafft, sie herauszufordern ohne sie zu überfordern, mit anderen Worten: wenn die Autorin/ der Autor die Kinder wirklich ernst nimmt, ist viel gewonnen.

LeseliebeFür Ihr erstes Kinderbuch „Ben“ haben Sie gleich den Leipziger Lesekompass erhalten. Wie ist Ihr kleiner Held Ben entstanden?

Oliver Scherz: Ben hat viel mit mir selbst zu tun. Meine eigene Kindheit und die Gefühle, die ich damals hatte, spiegeln sich in den Ben-Geschichten wieder. Ich erinnere mich gerne an meine Kindheit zurück und schöpfe viel Lebensenergie daraus. Ich wollte etwas davon abgeben und es hat mir auch einfach Spaß gemacht, durch Ben ein bisschen was von dem kleinen Jungen lebendig werden lassen zu können, der ich einmal gewesen bin.

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Oliver Scherz im Interview

LeseliebeBei Ben geht es um die letzte Zeit vor und die erste Zeit in der Schule. Dabei erlebt Ben Positives (Fragen richtig beantworten, Pausen-Abenteuer) und Negatives (der Kleinste sein, geärgert werden). Was wollen Sie Ihren jungen Lesern zum Schulstart vermitteln?

Oliver Scherz: In den beiden Ben-Bänden geht es ganz grundsätzlich um all die kleinen Sorgen und auch frohen Momente im Alltag. Die Schule stellt Ben vor neue Herausforderungen und er versteht vor allem, dass nichts schwarz-weiß ist. Die Ben-Bücher vermitteln Offenheit und Selbstbewusstsein und in mancher Hinsicht ist der Schulanfang für Ben auch ein Abschied von einer noch kleinkindlicheren Sicht auf die Welt.

LeseliebeAls ausgebildeter Schauspieler haben Sie viel Übung im Hineindenken in eine Rolle. Hilft Ihnen das auch beim Kinderbuchschreiben?

Oliver ScherzSehr. Ich versetze mich in die Charaktere hinein wie ich das auch als Schauspieler gemacht habe. Auch in Tiere. Ich laufe zwar nicht wie Habbi als Erdhörnchen durch die Wohnung, aber ich bin an meinem Schreibtisch in Bewegung, höre die Stimmen der Figuren, mache ihre Gesten und ihre Mimik nach. Das hilft mir, um den richtigen Ton bei Dialogen zu finden. Ich versuche, meinen Figuren nah zu sein, auch denen, die keine Sympathieträger sind. Ich möchte sie alle möglichst vielschichtig zeichnen. 

LeseliebeWie sieht das konkret bei Bens Schulerfahrungen aus? Greifen Sie auf eigene Kindheitserinnerungen zurück oder auf Beobachtungen und Erfahrungen, die Sie als Erwachsener gemacht haben?

Oliver Scherz: Alles, was ich bin, was mich ausmacht, fließt in meine Bücher mit ein. Auch meine Beobachtungen von dem, was meine Kinder erfahren. Selbst wenn die Handlung fantastischer ist wie bei „Wenn der geheime Park erwacht …“ oder eine Art Parabel wie bei „Ein Freund wie kein anderer“, bleibt es immer mein Anliegen, persönlich zu schreiben. 

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Oliver Scherz im Interview

LeseliebeWas für Kinderbücher lesen Sie mit Ihren eigenen Kindern am liebsten? Geschichten nah am eigenen Leben, fantasievolle Geschichten oder Sachbücher?

Oliver Scherz: Was ich am liebsten mit meinen Kindern lesen würde ist noch lange nicht das, was meine Kinder lesen möchten. Man könnte sagen, meine Kinder sind da offener als ich, oder einfach geschmacklich noch nicht festgelegt. Ich möchte sie nicht zu sehr einschränken, und so lesen wir auch einige Bücher, die mir nicht gefallen, an denen meine Kinder aber ihren großen Spaß haben.  

LeseliebeWelches Kinderbuch oder welche Lese-Situation hat in Ihrer eigenen Kindheit einen Eindruck hinterlassen, der bis heute nachwirkt und warum?

Oliver Scherz: Ich habe selbst nicht viel gelesen. Ich habe gerne zugehört, hatte aber nicht so einen starken Bezug zu Büchern. Meine Erinnerungen aus Kindertagen beschränken sich daher in erster Linie auf die Vorlesestimmen meiner Eltern und Bruchstücke von Geschichten. Umso mehr freut es mich als Autor, wenn mir heute Kinder schreiben, dass sie ein Buch sehr bewegt hat und sie das in eigene Worte fassen oder in Bildern festhalten.

LeseliebeSie haben einen magischen Wunsch frei und dürfen drei Bücher bestimmen, die jedes Kind auf der Welt liest. Abgesehen von Ihren eigenen, für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Oliver Scherz: Das möchte ich gar nicht bestimmen. Jedes Kind benötigt andere Geschichten, die ihm weiterhelfen oder es einfach auf vielschichtige Weise gut unterhalten. Wünschen würde ich mir nur, dass die Eltern darauf achten, dass sie ihre Kinder nicht zu früh mit Büchern konfrontieren, die auch Zeit haben, später entdeckt zu werden. Wir Erwachsenen brauchen nicht das Gefühl zu haben, der Überreizung im Alltag unserer Kinder mit möglichst noch spektakuläreren Eindrücken begegnen zu müssen. Wir sollten dem eher etwas entgegensetzen. 

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Oliver Scherz im Interview

LeseliebeErgänzen Sie doch netterweise den folgenden Satz für uns: Leseliebe ist …

Oliver Scherz: … sich die Ruhe zu nehmen, eine Geschichte auch zwischen den Zeilen zu lesen und sie in ganz und gar eigenen Bildern vor sich lebendig werden zu lassen.

Oliver Scherz

Oliver Scherz, geboren 1974 in Essen, ist Schauspieler, Cutter, Regisseur und Kinderbuchautor. Er möchte mit seinen Geschichten Kinder und Erwachsene gleichermaßen berühren. Das Vorlesen ist ein wichtiges Ereignis für die ganze Familie, findet er, und ein gutes Kinderbuch kennt kein Höchstlesealter. Oliver Scherz lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin.

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Oliver Scherz Autor

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