Artikel: Kinderbuchmacherin Nanna Neßhöver im Interview
 
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Nanna Neßhöver über Mitmachbücher

Die Autorin denkt sich immer wieder tolle Kinderbücher zum Mitmachen aus. Wir haben sie zu dazu mal genauer befragt!

Leseliebe: Frau Neßhöver, wie Sie zu einer Kinderbuchmacherin geworden sind, haben Sie uns netterweise bereits in dem Interview zum Thema Gefühle erzählt. Verraten Sie uns jetzt doch noch, was Ihnen beim Kinderbuchschreiben am meisten Freude macht und was für Sie dabei die größten Herausforderungen sind.

Nanna Neßhöver: Wenn ich eine gute Idee habe, dann bin ich in einem richtigen Flow. Ich fühle mich leicht und unheimlich stark. Plötzlich ist alles möglich. Die Herausforderung ist, an einem Text zu arbeiten, der nicht von diesem Gefühl begleitet wird. Durchzustehen, dass man nicht die richtigen Worte findet und vor einem leeren Blatt Papier sitzt. Und den Mut zu haben, die eigenen Gedanken aufzuschreiben. Ich denke, dass Schreiben vor allem mit Mut zu tun hat. Zu dem zu stehen, was aus dem Innersten herauskommt. Und auch zu akzeptieren, dass man immer wieder am Text arbeiten muss.

Leseliebe: Ein Großteil Ihrer Kinderbücher für Kleine lädt beim Lesen zum Mitmachen ein und zwar ganz ohne Klappen, Gucklöcher oder Schieberegler. Wie muss man sich das vorstellen? Was gibt es da zu tun?

Nanna Neßhöver: Bei meinen Gefühls-Mitmachbüchern können die Kinder ihre Gefühle rauslassen, wie zum Beispiel beim Wutbuch „Wenn ich wütend bin“. Dort dürfen sie die Wut einmal heraus brüllen, stampfen wie ein Elefant oder herausfinden, warum das Faultier allen Grund hat, wütend zu sein. Dafür müssen sie zurückblättern und das Rätsel lösen. So beschäftigen sie sich selbst mit dem Buch und lesen es vielleicht nochmal und nochmal.

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Wenn ich wütend bin - Mitmachbuch für Kinder über Gefühle

Leseliebe: Wie hat es sich ergeben, dass Mitmachaktionen in Ihren Kinderbüchern eine so große Rolle spielen?

Nanna Neßhöver: Ich liebe Mitmachbücher, weil sie eine ganz eigene Magie haben. Das Kind kann die Welt auf den nächsten Buchseiten verändern, wenn es etwas selbst aktiv macht, zum Beispiel pusten, wischen oder das Buch auf den Kopf stellen. Und dann kam mir die Idee, dass Kinder nicht nur eine einfache Aktion machen könnten, zum Beispiel den Ball zur Seite rollen usw. sondern etwas Hilfreiches. Über die eigenen Gefühle nachzudenken oder zu überlegen, was es machen könnte, damit es ihm gut geht. Zum Beispiel, auf die geschlossenen Blütenköpfe drücken und an einen schönen Ort denken, wie bei „Wenn ich ängstlich bin“. Oder anderen helfen, zum Beispiel Ella ihr Kuscheltier suchen, was sie verloren hat („Wenn ich traurig bin“).

Leseliebe: Was macht für Sie ein gelungenes Mitmachbuch aus?

Nanna Neßhöver: Es muss, wie auch bei einem normalen Bilderbuch, überraschen. Das ist die Kunst, auf wenigen Seiten nicht nur eine Geschichte zu erzählen, sondern auch in Erstaunen zu versetzen. Etwas verrückt sein, die Perspektive ändern. Denn ich denke, das ist die Chance von einem guten Kinderbuch: Den Kindern zu zeigen, dass die Welt bunt und vielfältig ist und es sich lohnt, immer mal wieder über den Tellerrand zu schauen. Einfach mal wie die kleine Fledermaus Wegda sein, die kopfüber von der Decke hängt und dadurch die Welt anders wahrnimmt.

Ein Mitmachbuch kann es auf ganz vielfältige Weise geben, wie zum Beispiel in Form eines Wendebuchs, was ich bei „Verschwunden? Gefunden!“ ausprobiert habe. Auch da kann die andere Perspektive aufgegriffen werde, hier einmal aus der Sicht des Koalakindes, das seine Mama aus den Auge verloren hat und bei der Suche zu seiner eigenen Stärke findet. Und aus der Sicht der Koalamama, die ganz ruhig ist, weil sie weiß, dass sie ihr Kind wiederfinden wird..

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Mitmachbuch von Nanna Neßhöver Wilde Weihnachten

Leseliebe: Wie kommen Sie auf die Mitmachaktionen in Ihren Büchern? Und gibt es Mitmach-Aufgaben, die Sie besonders gerne mögen und möglichst in jedem Ihrer Mitmachbücher unterbringen?

Nanna Neßhöver: Die Ideen fallen mir spontan ein, aber es gibt immer mal wieder Aktionen, die ich gerne unterbringe, wie zum Beispiel das Licht an- und ausschalten. Oder auf etwas tippen wie auf die gelben Punkte, die in „Da ist noch Licht“ zu Sternen werden. Oder mit dem Finger einen Weg entlang spüren. Das könnte ich selbst stundenlang machen, weil ich das so toll finde. Aber auch in meinen normalen Bilderbüchern, bringe ich gerne kleine Mitmach-Aktionen unter, wie zum Beispiel für die ganz Kleinen beim „Muthörnchen“. Da müssen die Kinder mit dem Muthörnchen bis 3 zählen, bevor es sich traut, zur Nuss, auf die andere Seite zu springen. 

Leseliebe: Hauptberuflich arbeiten Sie ja als Lehrerin. Können Sie aus Ihrer Erfahrung bestätigen, dass Kinder etwas besser lernen, wenn sie sich aktiv und multisinnlich damit auseinandersetzen? Unterstützen Mitmachbücher also auch den Lerneffekt beim Lesen?

Nanna Neßhöver: Bestimmt! Denn man kann mit allen Sinnen das Medium Buch erfahren. Deshalb ist es so wichtig, dass schon ganz Kleine das Buch entdecken, zum Beispiel durch kleine Gucklöcher, weichen Stoffen zum Tasten oder Klapptaschen zum ersten Entdecken. Dann bleibt auch die Neugier, wenn es später vorgelesen bekommt. Und vielleicht entwickelt sich auch eine Art Kreativität und Phantasie. Wenn es zum Lesenlernen zum Beispiel  kleine Rätsel gibt, dann ist die Motivation sicher sehr viel größer, das Wort zu entziffern. Und wenn die Kinder dann selbst ein eigenes Rätsel erfinden dürfen, können sie mit diesem Spaß auch dem Spaß am Lesen entdecken.

Leseliebe: Ist interaktives Lesen auch für ältere Kinder noch interessant? Nutzen Sie zum Beispiel interaktive Bücher in der Schule? Wenn ja, wie sieht das Mitmachen dabei aus?

Nanna Neßhöver: Ich nehme immer wieder Bilderbücher mit in die Schule, aber auch Rätsel- und Mitmachbücher. Und selbst für die Großen kann es, bei ruhiger Atmosphäre, ein Erlebnis sein, einer Geschichte zu lauschen. Und die Illustrationen, zum Beispiel beim Bilderbuchkino, ganz in sich aufzunehmen. Wenn aus dieser positiven Stimmung Kreativität geschaffen wird, zum Beispiel wenn die Kinder sich eigene Geschichten oder kleine Bildergeschichten ausdenken, macht mich das immer sehr glücklich.

Leseliebe: Gibt es ein Mitmachbuch-Erlebnis aus Ihrer eigenen Kindheit oder aus Ihrem Alltag als Mutter, Lehrerin oder Kinderbuchmacherin, an das Sie sich besonders gerne erinnern?

Nanna Neßhöver: Ich habe erst sehr spät das Mitmachbuch entdeckt, weil es in meiner Kindheit noch nicht so viele gegeben hat. Als mein erster Sohn geboren wurde, habe ich zufällig im Buchladen mein erstes Mitmachbuch gefunden. Damit konnte man mit Klatschen kleine Bälle immer größer werden lassen. Das fand ich faszinierend und seitdem überlege ich mir immer wieder neue  Mitmach-Aktionen für meine Bücher. Je mehr ein Buch zu bieten hat, desto spannender kann es sein. Und wird vielleicht nochmal und nochmal angeguckt. Und auch da entsteht wieder die Magie – die Möglichkeit zu haben, in eine neue Welt einzutauchen.

Autorin

Nanna Neßhöver

Nanna Neßhöver arbeitet als Lehrerin und Autorin. Ihre erfolgreichen Kinderbücher befassen sich häufig mit dem Thema Gefühle und holen Kinder in ihrer konkreten Lebenswirklichkeit ab. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf Mitmachbüchern, die Kinder direkt beim Lesen aktivieren und ihnen ebenso Spaß wie hilfreiche Unterstützung beim Großwerden bieten.

Leseliebe ist für sie ... … eine Magie zum Mitnehmen.

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Nanna Neßhöver

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