Nina Blazon über Natur und Fantasie

Leseliebe: Frau Blazon, wie sind Sie eigentlich zu einer ‚Kinderbuchmacherin‘ geworden?

Nina Blazon: Angefangen hatte ich als Jugendbuchautorin, die für junge Leser*innen ab 12 Jahren schreibt. Zum Kinderbuch kam ich, als ich eine Geschichte für eine Anthologie zum Welttag des Buches verfasste. Meine damalige Programmleiterin fand sie so lustig, dass sie mich fragte, ob ich nicht ein Kinderbuch daraus machen möchte. Es erschien im Jahr 2010 und trug den Titel „Polinas Geheimnis“.

Leseliebe: Von Ihrem Debütroman an liegt der Schwerpunkt Ihres Schreibens im Fantasy Genre. Was ist für Sie die größte Freude, was die größte Herausforderung am fantastischen Erzählen?

Nina Blazon: Die größte Freude ist es, lebensnahe Themen in einer klaren und konzentrierten Form erzählen zu können. Die Fantasy mit ihrer symbolischen Bilder- und Figurensprache ist ein schillerndes Gewand für ganz reale Probleme und Herausforderungen, die uns im Leben alle beschäftigen. Die Herausforderung liegt darin, die Geschichte so vielschichtig zu erzählen, dass Leserinnen und Leser immer die Wahl haben, auf welcher Ebene sie diese lesen wollen: realistisch oder eben „nur“ als fantastische Unterhaltung.

Leseliebe: In Ihren Kinderbüchern über den Baumgeist Tomti trifft Fantasy auf Naturthemen und die Alltagsrealität von Stadtkindern. Darin zeigen Sie die Natur als einen magischen Ort der Wunder, der gepflegt und beschützt werden muss. Welche (magische) Bedeutung hat die Natur für Sie in Ihrem Alltag?

Nina Blazon: Da ich das Glück hatte, in einem Dorf auf dem Lande aufzuwachsen, war der nahe Wald mein Abenteuerspielplatz. Bis heute ist der Wald wichtig für mich, um bei mir selbst anzukommen, Ruhe zu finden und auch, um kreativ zu sein und neue Ideen anzulocken. Ein Spaziergang im Grünen wirkt da wirklich Wunder – was inzwischen auch die wissenschaftliche Gehirnforschung bestätigt hat.

Leseliebe: Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, dass Kinder die Natur erleben und lernen, respektvoll mit ihr umzugehen? Und wie können (Fantasy-)Bücher dabei helfen?

Nina Blazon: Ich stelle bei Lesungen immer wieder fest, dass es gar nicht mehr so selbstverständlich ist, dass Kinder alleine Feld, Wald und Wiesen erkunden. Das ist aber so wichtig, um sich selbst als Teil der Natur zu erleben und auch eine Liebe und Vertrautheit dafür zu entwickeln. Ich glaube, Geschichten können da eine erste Brücke sein und neugierig auf eigene Abenteuer machen. Und die Vermittlung von Naturthemen im Gewand der Fantasy kommt Kindern und ihrem noch magischen Denken entgegen. Nicht umsonst erzählen wir Kindern ja auch Märchen mit ihren Symbolen und magischen Welten. Ich glaube, das öffnet auch den Blick auf das Wesentliche: die Natur genau zu betrachten und als etwas Lebendiges, Wachsendes zu erleben. Etwas, das ebenso lebendig ist wie wir.

Leseliebe: Die Geschichten von Tomti fangen damit an, dass das Baum-Zuhause von Tomti gefällt wird und dieser Notunterkunft in einer unbequemen kleinen Zimmerpalme in einer Stadtwohnung beziehen muss. Wie sind Sie auf diese ungewöhnliche Idee gekommen?

Nina Blazon: Mir tut es immer leid, wenn ich im Januar die Berge von ausrangierten Weihnachtsbäumen auf den Sammelplätzen liegen sehe oder im Wald aufgestapeltes „Nutzholz“ entdecke. Und ich dachte mir: Was würde wohl ein Baumgeist machen, der plötzlich auf der Straße steht, weil sein Zuhause zu Nutzholz verarbeitet wurde?

Leseliebe: Wenn Sie ein Baumgeist wären, in welchem Baum würden Sie am liebsten wohnen wollen und warum?

Nina Blazon: Das wechselt immer wieder mal. Aber im Augenblick würde ich am liebsten in einer Buche wohnen. Die wachsen immer in Familien dicht beieinander und bilden ein schönes, schattiges Kronendach, was im Sommer sehr angenehm ist. Und außerdem kann man aus jungen Buchenblättern im Frühling einen wunderbaren Salat zubereiten. Oder man legt die herrlich frischen Blättchen einfach aufs Butterbrot.

Leseliebe: Sie haben einen magischen Wunsch frei und dürfen drei Bücher bestimmen, die jedes Kind auf der Welt in seiner Kindheit liest. Abgesehen von Ihren eigenen, für welche Bücher entscheiden Sie sich?

Nina Blazon: Ich fürchte, da würden drei nicht reichen. J Auf jeden Fall sollte aber ein Buch mit einer Sammlung von Christian Andersens Märchen dabei sein. Dann „Mio, mein Mio“ von Astrid Lindgren und „Der rote Baum“ von Shaun Tan.

Leseliebe: Was macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?

Es belehrt nicht, packt nicht jedes Thema in rosa Watte, sondern traut seinen Leserinnen und Lesern auch etwas zu. 

Leseliebe: Welches Kinderbuch oder welche Lese-Situation hat in Ihrer eigenen Kindheit einen Eindruck hinterlassen, der bis heute nachwirkt und warum?

Nina Blazon: „Krabat“ von Otfried Preußler. Das Schauerliche und Düstere dieses Romans hat mich als Kind sehr beschäftigt. Aber auch die tröstliche Botschaft, dass es möglich ist, das Böse zu überwinden. Bis heute liebe ich dieses Buch sehr – und jedes Mal, wenn ich es in einem neuen Lebensalter lese, eröffnen sich darin neue Aspekte, die man erst im Laufe der Jahre mit wachsender Lebenserfahrung verstehen und nachfühlen kann.

Leseliebe: Ergänzen Sie doch netterweise den folgenden Satz für uns: Leseliebe ist …

Nina Blazon: … das Tor zu Welt und die Tür zur unserer eigenen Seele.