Artikel: Kinderbuchmacher Thomas Feibel im Interview
 
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Thomas Feibel über digitale Medien, das Kinderhandy & Co.

Der Medienexperte erklärt, worauf Eltern in Sachen Kinderhandy, Smartphone und digitale Mediennutzung achten sollten.

Leseliebe: Herr Feibel, Sie arbeiten als freier Journalist, insbesondere zum Thema „Kinder und digitale Medien“, verleihen seit 2002 den Deutschen Kindersoftwarepreis TOMMI und schreiben auch noch Kinderbücher rund um das Thema digitale Medien. Für Ihr Engagement bei der Vermittlung elektronischer Medien für Kinder und Jugendliche und im Bereich Leseförderung sind Sie sogar bereits ausgezeichnet worden. Wie ist es zu der beruflichen Schwerpunktsetzung „Kinder und Medien“ und zum Schreiben von Kinderbüchern gekommen?

Thomas Feibel: In Hessen haben einmal drei Mädchen der 6. Klasse einer übergewichtigen Lehrerin unter den Rock gefilmt und das Video mit deren vollen Namen online gestellt. Die Pädagogin erlitt damals einen Nervenzusammenbruch und fiel für ein halbes Jahr aus. Damals dachte ich, dass es zu solchen Themen weder Sachbücher noch Romane für Kinder gibt. Nach einem Gespräch mit Carlsen schrieb ich drei Bücher zu dem Thema. „Like me“ kam in den Schulen und bei den Kindern selbst sehr gut an und erreichte bisher mehr als 14 Auflagen. Das liegt an zwei Dingen: Erstens ist der Roman ein echter Roman, der ohne erhobenen Zeigefinger auskommt. Zweitens lieben Kinder und Jugendliche alles, was sie mit digitalen Medien machen. Aber, und das ist ihnen sehr bewusst, es fehlt etwas: der Schutz. „Like me“ trägt dazu bei, die Welt der digitalen Medien zu hinterfragen, ohne zu verurteilen.

Leseliebe: Was macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?

Thomas Feibel: Die Sprache sollte eine gewisse Leichtigkeit haben, aber dennoch nicht banal sein. Die Figuren sollten sich echt anhören, aber ohne sich durch vermeintliche Szeneworte anzubiedern. Die Geschichte selbst darf poetisch, spannend oder fantastisch sein. Grundsätzlich gefällt mir alles, was mich mitnimmt, berührt oder den 10-jährigen Jungen in mir anspricht. Mir ist es aber als Autor wichtig, dass die Geschichten etwas mit der Lebenswirklichkeit der Zielgruppe zu tun haben und dass bei aller Schwere der Themen der Humor und Spaß nicht zu kurz kommen.

Leseliebe: Was macht Ihrer Meinung nach ein gutes digitales Angebot für Kinder aus?

Thomas Feibel: Es muss in allererster Linie Kindern gefallen. Bei Spielen und Lerninhalten gilt, dass sie Kinder fordern, aber nicht überfordern dürfen. Die Angebote sollten altersgerecht, gewaltfrei und können ebenso mal anspruchsvoll und mal anspruchslos sein. Manche Spiele legen Wert auf Action, andere setzen eher auf strategische oder kreative Schwerpunkte. Bei Serious Games wird zum Beispiel Gaming als Transportmittel für Bildungsinhalte benutzt. Es bleibt in jedem Alter wichtig, Kinder in ihren Medienerlebnissen abzuholen und mit ihnen darüber zu sprechen. Digitale Medien für Kinder sind jedoch kein Babysitter.

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Ab wann ist ein Kinderhandy sinnvoll? Wie vermeidet man eine Handysucht?

Leseliebe: Was ist ein Kinderhandy? Und ab wann macht so etwas Sinn?

Thomas Feibel: Der Umgang mit digitalen Medien ist eine Kulturtechnik, die erlernt werden muss. Allerdings braucht das ja nicht so rasch geschehen. Heute besitzen Kinder bereits in der 2. Klasse ein Smartphone. Mich begeistert das nicht! Vielen Eltern ist aber die Erreichbarkeit ihres Kindes sehr wichtig - das respektiere ich. Darum rate ich eher zum guten alten Tastenhandy anstatt zum Smartphone. Ein Smartphone ist immer auch eine Überforderung für Kinder. Sie kommen damit an Inhalte, bei denen wir schon mal vorsichtiger waren. Außerdem gibt es die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass sich über Spiele und andere Inhalte Fremde an Kinder heranmachen. Und dank Smartphone gelangen pädophil veranlagte Menschen direkt ins Kinderzimmer. Davor müssen wir Kinder warnen und schützen.

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Wann ist ein Smartphone für Kinder empfehlenswert?

Leseliebe: Ab wann sind Kinder alt genug für ein Smartphone?

Thomas Feibel: Viele Expert*innen raten, Kindern ab zehn Jahren beim Übergang auf die fortführende Schule ein eigenes Smartphone zu überlassen. Ich würde das aber nicht am Alter, sondern eher an der jeweiligen Reife des Kindes festmachen. Gerade in der Grundschule rate ich eher zum klassischen Tastenhandy, wenn der Sicherheitsaspekt überwiegt. Von Kinderuhren, die Kinder abhören und tracken, möchte ich lieber abraten.

Leseliebe: Was ist, wenn alle Freund*innen oder Klassenkamerad*innen schon Smartphones haben, und es beispielsweise einen Klassenchat gibt? Grenzt man ein Kind ohne Smartphone dann nicht aus und macht es zum/zur Außenseiter*in?

Thomas Feibel: Nein, die Kinder informieren sich untereinander. Hier sollte der Gruppenzwang nie die Entscheidung beeinflussen. Wer seine Kinder gut erziehen will, zeigt das vor allem an seiner oder ihrer eigenen Haltung. Sie ist die Leitplanke einer guten Kindererziehung und sorgt für Orientierung.

Leseliebe: Worauf sollten Eltern achten, wenn sie ihrem Kind ein Kinderhandy oder Smartphone anschaffen?

Thomas Feibel: Damit Kinder gut und sicher damit aufwachsen, habe ich „Mach deinen Medienführerschein“ geschrieben, jetzt auch zusätzlich speziell für das Smartphone. Kinder müssen Chancen und Gefahren kennen. Dann empfehle ich, mit den Kindern gemeinsam einen Mediennutzungsvertrag aufzusetzen. Darin sollten die Nutzungszeiten und Sanktionen drinstehen. Dazu gibt es noch handfeste Regeln wie: kein Smartphone beim Essen, kein Smartphone bei den Hausaufgaben und keine Smartphones über Nacht im Kinderzimmer. Wichtig: Achten Sie auch auf Ihr eigenes Smartphoneverhalten, denn Kinder ahmen uns nach.

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Wie vermeidet man eine Handysucht?

Leseliebe: Wie sollten Eltern darauf reagieren, wenn ihr Kind das Handy dann kaum noch aus der Hand legt? Ist Handysucht bei Kindern eine reale Gefahr oder eine übertriebene Angst?

Thomas Feibel: Digitale Angebote würden Kinder süchtig, dumm und dick machen. Das höre ich seit den 90er Jahren immer wieder in Variationen. Solange wir aber kontrollieren, was Kinder damit machen und wie viel Zeit sie damit verbringen, kann eigentlich nichts schief gehen. Außerdem ist Sucht eine sehr ernsthafte Krankheit und ein zu großes Wort. Kinder benutzen es in Problemfällen missbräuchlich und exzessiv. Das ist nicht viel besser, aber dann kein Sucht- sondern ein Erziehungsproblem.

Leseliebe: Sie haben einen magischen Wunsch frei und dürfen drei Grundregeln bestimmen, die für alle Kinder beim Aufwachsen in der digitalen Welt gelten. Welche wären das?

Thomas Feibel:

  • Sei auch in der Digitalwelt voller Empathie und Respekt.
  • Bleib kritisch und vervollständige jeden Tag ein bisschen deine Medienkompetenz.
  • Achte auf die digitale Balance und Privatsphäre.

Aber ganz ehrlich: Das würde ich mir auch für Erwachsene wünschen.

Leseliebe: Ergänzen Sie doch netterweise den folgenden Satz für uns: Leseliebe ist …

Thomas Feibel: ….  die inspirierende Fähigkeit, in andere Köpfe und Welten zu schlüpfen.

Medienexperte & Autor

Thomas Feibel

Der Medienexperte, Autor und vierfache Vater Thomas Feibel ist in Deutschland der führende Journalist zum Thema Kinder und digitale Medien. Er leitet das Büro für Kindermedien in Berlin und veröffentlicht regelmäßig Beiträge für renommierte Medien wie Spiegel.de, Deutschlandradio oder das RBB-Fernsehen. Dazu hält der freiberufliche Journalist Vorträge, führt regelmäßig Workshops und Lesungen in Bibliotheken und Schulen durch und hat bereits zahlreiche Kindersachbücher zur Medienerziehung sowie Kinder- und Jugendbücher zum Aufwachsen in der digitalen Welt veröffentlicht. Für seine Arbeit zur Leseförderung und Vermittlung elektronischer Medien für Kinder und Jugendliche wurde er 2014 von Bibliothek & Information Deutschland (BID) mit der Karl-Preusker-Medaille ausgezeichnet.

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Thomas Feibel Foto

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