Artikel: Kinderbuchmacherin Claudia Dziallas im Interview
 
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Claudia Dziallas über Kinderbücher zu Film- und TV-Held*innen

Echt spannend: Die Programmleiterin des Nelson Verlags gewährt uns Einblick in die Produktion von Lizenzbüchern.

Leseliebe: Frau Dziallas, zuerst einmal interessiert uns: Wie sind Sie zu einer ‚Kinderbuchmacherin‘ geworden?

Claudia Dziallas: Ich kam erst aus einer anderen Richtung: Nach einem geisteswissenschaftlichen Studium habe ich zunächst in Cambridge die Werke von Martin Luther digitalisiert. Nach ein paar Jahren merkte ich aber, dass ich lernen wollte, „richtige“ Bücher zu publizieren. In Deutschland arbeitete ich dann in Massmarket-Verlagen, wo ich neben Kinderbuch-Projekten auch Bildbände, Kochbücher und Ratgeber betreute. Irgendwann wurde die Arbeit zu viel, und meine damalige Chefin fragte mich, ob es mir reichen würde, nur noch das Kinderbuch-Programm zu übernehmen. Ich erinnere mich noch, wie sie sagte, ich solle ihr Bescheid geben, wenn mich der ganze bunte Kram wahnsinnig machen würde; dann könnten wir wieder umstrukturieren. Am Ende hat mich „der bunte Kram“ aber eher wahnsinnig glücklich gemacht! Mit diesem Hintergrund kam ich vor gut sechs Jahren zu Nelson und kann mich hier seither richtig austoben.

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Nelson Kinderbücher Lizensen

Leseliebe: Der Nelson-Verlag ist bekannt für Kinderbücher, in denen beliebte Figuren aus Film und Fernsehen wie Disney-Stars, die Welpen der PAW Patrol oder Peppa Wutz zu Kinderbuch-Held*innen werden. Wo kommen die Geschichten und Bilder dafür her?

Claudia Dziallas: Die Geschichten gibt es tatsächlich immer schon, da wir meistens Episoden aus TV-Serien oder Filme nacherzählen. Bildmaterial hingegen gibt es oft nicht, wir wählen passende Bilder aus der Episode aus und lassen Screenshots davon erstellen. Oder aber wir übersetzen bestehende Geschichten aus ausländischen Verlagen. Oder es gibt vom jeweiligen Rechtegebenden bereits Geschichten, die wir für unsere Zwecke adaptieren. In diesem Fall existieren dann auch schon die Bilder dazu. Zusätzlich wird vom Lizenzgebenden ein mal mehr, mal weniger umfangreicher Artpool mit Bildern zur Verfügung gestellt. Nur in seltenen Fällen lassen wir selber etwas illustrieren.

Leseliebe: Mit den bekannten Stars in den Hauptrollen gibt es bei Nelson eine bunte Vielfalt an Buchformaten: Mini-Bücher, Mal- und Kreativbücher, Vorlese- und Bilderbücher, Eintragbücher und noch mehr. Wer entwickelt die Konzepte dafür?

Claudia Dziallas: Die Konzepte für unsere zahlreichen Formate entwickeln wir alle selbst. Darin liegt der größte kreative Anteil unserer Arbeit: aus dem Text- und Bildmaterial, das uns bereitgestellt wird, etwas zu zaubern. Natürlich schauen wir uns auch viel den Buchmarkt an und setzen dann Formate, die gut funktionieren, mit unseren Held*innen um. Insgesamt sind wir also teilweise eingeschränkt durch äußere Vorgaben und vorliegendes Material, können aber bei den Konzepten unsere eigenen Ideen umsetzen.

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Peppa Pig Mein MEGA Malspaß Innenseite Gute Nacht

Leseliebe: Welche Schritte müssen alle passieren, damit zum Beispiel ein neues Disney-Buch in Deutschland erscheinen kann?

Claudia Dziallas: Zunächst ist es schon eine Art Ritterschlag, wenn man überhaupt das Recht daran erworben hat, ein Disney-Buch veröffentlichen zu dürfen. Dem Recht an einer Lizenz gehen teils langwierige Verhandlungen und viel Bürokratie voraus. Danach kommt aber die schöne Arbeit: Covergestaltung, Titel- und Bildauswahl, der Text – so wird aus einem kleinen Eintrag in einer Datenbank ein wunderbares Buch. So einfach könnte es sein. Ist es aber nicht, weil der Lizenzgebende Seite für Seite, Bild für Bild, Wort für Wort freigeben muss.

Im Falle von Disney ist es mittlerweile nicht mehr kompliziert, weil wir durch die lange und gute Zusammenarbeit wissen, was passt und was nicht. Aber gerade bei neuen Lizenzen kann sich der Freigabeprozess über viele Wochen und zahlreiche Korrekturläufe hinziehen – meist über Online-Portale, in denen man die Titel anlegt, bevor man sie zur Freigabe schickt. Oft ist auch noch eine Agentur zwischengeschaltet. Und so kann es passieren, dass ein Cover, bei dem für uns alles stimmte, am Ende ganz anders aussieht – weil eine Figur in die falsche Richtung schaut, eine andere zu traurig guckt, eine Hintergrundfarbe geändert werden muss, eine Schrift nicht passt, eine Figur zu groß und die andere zu klein ist. Unsere Bücher müssen zum gegenwärtigen Look der jeweiligen Marke passen – aber wir wollen auch eine gute Geschichte erzählen. Natürlich einigen wir uns am Ende immer. Aber erst dann wird das Buch gedruckt.

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Die schönsten Disney-Bücher

Leseliebe: Wie lange dauert es von der ersten Idee bis zum fertigen Buch?

Claudia Dziallas: Von der ersten Programmrunde zum fertigen Buch: ein Jahr.

Leseliebe: 2023 feiert Disney 100. und Disneys Eiskönigin 10. Geburtstag. Haben solche Jubiläen auch Einfluss auf das Verlagsprogramm von Nelson?

Claudia Dziallas: Unbedingt! So etwas wie 100 Jahre Disney ist ein Anlass, zu dem Bücher sogar mit eigenem Disney-100-Logo erscheinen werden. Aber auch zum 10-jährigen Jubiläum der Eiskönigin erscheint bei uns eine Sonderausgabe. Solche Daten haben wir immer im Blick und wählen gezielt Themen aus, die dazu passen.

Leseliebe: Sie haben täglich mit verschiedenen bekannten Figuren und Welten zu tun, die die Kinder lieben und jedes Kind hat ja auch Lieblingscharaktere. Gibt es bestimmte Heldinnen und Helden, bei denen Ihnen die Arbeit an den Büchern ganz besonders viel Freude macht?

Claudia Dziallas: Die größte Freude hatte ich bislang mit unseren Büchern zur Eiskönigin 2. Ich liebe Elsa einfach, weil die Art zu leben, für die sie sich entschieden hat, keinen gängigen Klischees entspricht. Das hat in diesem Fall dann viel mit persönlicher Identifikation zu tun. Aber ich befasse mich mit all unseren Heldinnen und Helden, weil ich die Faszination der Kinder verstehen möchte, auch wenn mir die Figuren zunächst fremd sind. So habe ich z.B. selber begonnen, Pokémon Go zu spielen. Das ist jetzt 3 Jahre her, und ich spiele es immer noch! Diese absurden Wesen mit ihren lustigen Namen haben es mir sehr angetan, dadurch habe ich jetzt ein ganz anderes Verhältnis zu den Büchern.

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Anna und Elsa

Leseliebe: Was macht ein gutes Kinderbuch für Sie aus?

Claudia Dziallas: Hier fällt mir zunächst, unabhängig vom Inhalt, ein anderer Aspekt ein: dass es die Kinder erreicht. Und das ist etwas, dass die Nelson-Bücher besonders macht. Wir erreichen durch unsere Themen, aber auch die Vertriebswege Kinder, die sonst vielleicht nicht buch-affin sind. Denen nicht vorgelesen wird und die nicht in Buchhandlungen gehen. Diese Kinder sehen aber zum Beispiel ein PAW-Patrol-Buch in einer Schütte beim Supermarkt, erkennen die Hunde wieder und möchten es haben. Wenn wir diese Kinder erreichen und die Freude am Lesen so in ihnen wecken können, ist das mein größtes Glück.

Leseliebe: Haben Sie in Ihrer eigenen Kindheit auch Bücher mit TV- und Filmfiguren gelesen? Oder hat ein Kinderbuch oder eine Lese-Situation einen Eindruck hinterlassen, der bis heute nachwirkt?

Claudia Dziallas: Die TV- und Kinowelt und die Bücherwelt gehörten in meiner Kindheit, die schon eine Weile her ist, noch nicht zusammen. Mein Lieblingsbuch war „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler, der Film dazu kam ja erst 2018 ins Kino.
Aber meiner Schallplatte von Susi und Strolch lag ein dünnes Buch bei, ich habe es immer noch. Es ist total zerfleddert, und ich habe ganz viel darin gemalt und dazugeschrieben. Hätte ich damals geahnt, dass ich eines Tages mal selbst Disney-Bücher machen darf …

Leseliebe: Ergänzen Sie doch netterweise den folgenden Satz für uns: Leseliebe ist …

Claudia Dziallas:  … sich in einer anderen Welt vergessen und dann doch etwas vom Buch ins eigene Leben mitzunehmen.

Programmleiterin

Claudia Dziallas

Claudia Dziallas ist seit mehr als 20 Jahren im Verlagswesen tätig, von Haus aus Lektorin und seit 2016 Programmleitung für Nelson. Im Herzen Kölnerin, wohnt sie nun mit ihren Katern in Hamburg.

An Nelson liebt sie besonders die Arbeit mit den vielen Charaktern, die ihr riesengroßen Spaß macht. Außerdem schätzt sie dir Möglichkeiten durch die Arbeit an Lizenzprodukten über das Verlagswesen hinaus auch mit anderen Branchen in Kontakt zu kommen – sei es auf Lizenzmessen oder Veranstaltungen von Agenturen. Durch diesen Austausch erweitert sie unheimlich gerne ihren Horizont und kommt am Ende immer wieder zu dem Schluss: Bücher zu machen ist doch am schönsten!

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Nelson Verlag Programmleiterin Claudia Dziallas im Interview über Lizenztitel

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