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Familie ist ein Gefühl – Kinderbücher über Zusammengehörigkeit

Was bedeutet Familie in Zeiten der Patchworkfamilie und Regenbogenfamilie? Und was ist Familie im Kinderbuch?

Gerade in der Kindheit wird das Familiengefühl durch das Zusammenleben in einer Haushaltsgemeinschaft bestimmt. Und in der leben nach (noch immer) gängigen Vorstellungen à la Bilderbuch-Familie Mama, Papa und ein statistisches Mittel von zwei leiblichen Kindern. Doch dieses durchaus trügerische Bild vom Familienidyll ist mit der echten Welt gar nicht mehr kompatibel. Dort gibt es gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern und Familien mit unterschiedlichen Hautfarben oder Religionen, Patchwork-Familien, Alleinerziehende, Pflegefamilien, Adoptivfamilien. Dabei kann man beobachten, dass die Stärke des Familiengefühls ziemlich wenig mit der ‚echten‘ Blutsverwandtschaft zu tun hat. Wichtig für das Gefühl Familie ist vor allem das Empfinden einer Zusammengehörigkeit. Unterstützung, Zusammenhalt, Solidarität – Begriffe wie diese machen das Familiengefühl aus. Mit anderen Worten: Familie ist dort, wo man sich geschätzt, dazugehörig und vorbehaltlos unterstützt fühlt. Wie ist das im Kinderbuch, das schließlich Wertevorstellungen und Familienbilder mitprägt? Wo finden wir da das familiäre Wir-Gefühl? Wir haben uns für dich umgeschaut.

Herkunftsfamilie und Wahlfamilie

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Familie auf dem Sofa

Bei Kinderbuchreihen für die Kleinsten ist die Herkunftsfamilie nach dem Prinzip Mutter-Vater-Kind noch immer der Standard, insbesondere bei menschlichen Kinderbuchfiguren. Ob bei Familie Klawitter (Conni), bei Max oder Leonie – hier steht die eheliche Kernfamilie für maximale Geborgenheit. Je älter die Kinder in den Büchern werden, umso mehr werden traditionelle Konzepte jedoch aufgebrochen und in Frage gestellt. „Das NEINhorn“ hat mit seiner Herkunftsfamilie zum Beispiel nur noch wenig gemeinsam. Dafür aber mit anderen renitenten Gestalten, auf die es im Laufe der Geschichte trifft und eine Art Wahlfamilie gründet. Überhaupt ist bei tierischen Kinderbuchhelden die Wahlfamilie sehr präsent: In tierischen Wohngemeinschaften wie von Bär und Tiger (Janosch) und Nulli und Priesemut oder in Bilderbüchern wie „Richtig gute Freunde“ leben zum Beispiel verschiedene Tierarten zusammen, sorgen füreinander und zeigen ein inniges Zusammengehörigkeitsgefühl. Das zeigt dem kindlichem Leser raffiniert, dass Zusammengehörigkeit nichts mit äußerer (genetischer) Ähnlichkeit zu tun hat. Und das ohne die Bindung innerhalb der (menschlichen) Herkunftsfamilie aktiv in Frage zu stellen. In der Grundschule steigt dann das Verständnis für komplexe Zusammenhänge rapide an. Kinder sehen die eigene Familie vielleicht schon kritischer und erleben intensive Freundschaften. Zeit für Kinderbücher, die sich anspruchsvoll, differenziert und divers mit dem Gefühl Familie auseinandersetzen. Zwei unserer absoluten Favoriten dazu sind:

  • Harry Potter: In dieser Kult-Buchreihe erlebst du das familiäre Gefühl von Zusammengehörigkeit sowohl in einer Herkunftsfamilie als auch in einer Wahlfamilie. Die Weasleys sind ein Paradebeispiel für eine eng verbundene Großfamilie. Das sieht man schon optisch an den einheitlich roten Haaren. Und als das ‚schwarze Schaf‘ Percy nach offener Feindschaft zur Familie zurückkehrt, nimmt diese ihn ohne Wenn und Aber wieder auf. Harry dagegen ist in seiner Herkunftsfamilie (zweiten Grades) ein Außenseiter und erfährt dort Demütigungen und Ausgrenzungen. Zusammengehörigkeit erlebt er dafür mit seinen besten Freunden, die die Rolle von Geschwistern einnehmen und Prof. Dumbledore, Sirius Black und Mrs. Weasley, die für ihn elterliche Fürsorge ersetzen. Dieses Nebeneinander von funktionalen Herkunfts- und Wahlfamilien ist ein Paradebeispiel für Vielfalt im Kinderbuch mit entwicklungsfördernden Effekten wie Horizonterweiterung und Empathieförderung.
  • Rico & Oskar: In dieser grandiosen Reihe von ‚modernen Sozialromanen für Kinder‘ (vgl. Dt. Jugendliteraturpreis 2011) steht kein klassisches Idylle-Bild der Herkunftsfamilie im Fokus. Stattdessen gibt es eine alleinerziehende Mutter, die im Rotlicht-Milieu arbeitet oder einen psychisch labilen Vater, der sein Kind bei anderen Leuten ablädt. Das sorgt für eine intensive Auseinandersetzung mit dem, was ein Kind an Fürsorge und Liebe braucht und wo es sie finden kann. Rico zum Beispiel findet ganz viel Zusammengehörigkeitsgefühl und Geborgenheit in der Hausgemeinschaft der Dieffe 93 und erzählt davon ebenso lustig wie spannend und berührend. Damit wirft auch diese Kinderbuchreihe einen Blick weit hinaus über den Tellerrand der Bilderbuch-Familie.

 

Patchworkfamilie und Regenbogenfamilie

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Familie Selfi

Weil jede Form von Kunst das reale Leben auf die eine oder andere Art widerspiegelt, sind neben Herkunftsfamilie und Wahlfamilie auch andere familiäre Lebensformen im Kinderbuch von Bedeutung. Anders als vor fünfzig Jahren sind Scheidungen heute relativ ‚normal‘. Dadurch kommen Familiensituationen mit alleinerziehenden Elternteilen zustande, ebenso wie durch den tragischen Tod eines Elternteils. Und findet Mama oder Papa dann eine neue Liebe, eventuell sogar mit eigenen Kindern kommt es zum familiären Patchwork. Ebenso wurde in den letzten Jahren viel gekämpft für die Gleichstellung von Regenbogenfamilien, in denen Kinder mehrere Mütter oder Väter haben, und das sieht man auch an einigen Kinderbüchern mit zwei Mamas oder Papas, die es schon in die Kinderbuchregale geschafft haben. Tolle Beispiele für alternative Familienmodelle im Kinderbuch findest du in unserer Übersicht toller Familiengeschichten für Kinder.

Jetzt bist du dran: Welche Familiengeschichte im Kinderbuch gefällt dir besonders gut? Hast du einen Tipp für eine tolle Kindergeschichte zum Thema Regenbogenfamilie oder Patchworkfamilie? Welche Darstellung von Familie wünscht du dir im Kinderbuch? Schreib uns einen Kommentar! 

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Die neusten Kommentare der Community

ItchyWriggler

Familie ist ein Gefühl – Kinderbücher über Zusammengehörigkeit

Toll, dass es Kinderbücher zum Thema Patchwork gibt! Mir fehlt akut gerade eins zum Thema „der neue Elternteil zieht ein“ bzw. „Eine neue gemeinsame Wohnung“ - auch ohne dass das neue Elternteil selbst Kinder mitbringt. Viele Bücher drehen sich um die zusätzlichen Geschwister, kaum welche um die Beziehung zu den Erwachsenen (auch den leiblichen Erwachsenen, denn auch hier verändert sich ja einiges).